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Jessy, unser "Urgestein"....


Jessy, geboren am 07.02.1992, kam am 01. April 2004 in unseren Betrieb.

Wir hatten in diesem Jahr unseren ersten Zuchtbullen gekauft. Dieser kam aus einem Betrieb, dessen Besitzer verstorben war. Nun musste die gesamte Herde aufgelöst werden, ein paar Jungs kümmerten sich um die verbliebenen Tiere, die sich jedoch teilweise in einem unschönen Zustand befanden, da die erfahrene Hand des Besitzers fehlte.

Nun wurde uns also unser neuer Herdenchef geliefert und auch gleich noch kräftig Werbung für Jessy gemacht.... Klar, eine 12-jährige Kuh verkauft sich in der Regel nicht so gut, wie junge Tiere...

Anhand der Bewertung (1.-Bewertung Jessy lautete 9 / 8 / 8 ) und der Tatsache, dass sie für einen unschlagbaren Preis tragend, mit Kalb bei Fuß, zu bekommen war, war die Entscheidung schnell gefallen....Jessy sollte auf unseren Betrieb wechseln - unbesehen.

Was waren wir dann erschrocken, als diese dünne Kuh, an der das einzige hervorstechende Merkmal der Babybauch war, dann aus dem Hänger stakste.

Wir waren uns einig : das Mädel muss erst einmal aufgepäppelt werden.....und Jessy dankte es uns ! Zwar mussten wir in Deckung gehen, wenn sie gerade einem Kalb das Leben geschenkt hatte, doch innerhalb weniger Stunden beruhigte sich das "fleischfressende Monster" und unsere friedliebende, immer hungrige Jessy kam wieder zum Vorschein und präsentierte stolz ihr Kind, natürlich nur gegen Bezahlung (in Form eines großen Eimers Hafer).

Jessy hat uns, trotz ihres bei der Ankunft schon "hohen" Alters, noch 6 Kälber zur Welt gebracht. Unter anderem unsere Joy, die ihrer Mama mit zunehmendem Alter immer ähnlicher wird :-)

2009 kam schließlich ihr letztes Kalb zur Welt und plötzlich begann Jessy, immerhin schon 17-jährig, physisch enorm abzubauen. Wieder tragend, war es zu einem Absterben der Frucht gekommen. Der Tierarzt konnte anfangs noch helfen, Jessy schien sich aufzurappeln, bekam stets das beste Futter, wurde nach Strich und Faden verwöhnt und sollte endlich auf's wohlverdiente Altenteil. Das Kalb noch Aufziehen lassen, bis es groß genug ist, und dann das verdiente Gnadenbrot bekommen und als Betreuerin der Färsenherde den Lebensabend genießen.

Dachten wir.

Anfang März 2010 ging es rapide bergab mit Jessy. Trotz medikamentöser Behandlung  und grösster Sorgfalt in jeder Hinsicht wollte sie plötzlich nichts mehr fressen. Hafer nahm sie mir nach wie vor aus der Hand, ein paar Büschel Grummet, viel Wasser, aber beileibe nicht die für's Überleben notwendige Menge. Anfangs versucht man noch alles, so ein tapferes, altes Mädel wieder auf die Beine zu bekommen. Doch plötzlich erkennt man, dass es so nicht weitergehen kann und man sein Tier eigentlich mit jedem weiteren Tag nur noch quält. Der erste Weg vor der Arbeit ging morgens zu Jessy....das Mädel versorgen, ihr gut zureden, mit Streicheleinheiten und Massagen versorgen.....und sie dann eines morgens festliegend sehen zu müssen. Ganz ruhig lag sie im Offenstall, hatte sich das dickste Strohnest ausgewählt, hob den Kopf, trank ein paar Schlucke aus dem angebotenen Wassereimer und schien sich für ihre Kraftlosigkeit mit einem Nasenstubser entschuldigen zu wollen. Schweren Herzens fuhr ich nach Hause um mit dem Rest der Familie abzuklären, was nun zu tun sei. Ich war der Meinung, man müsse den Tierarzt rufen, um Jessy erlösen zu lassen. Schließlich schnappte ich mir mein Handy, machte mich wieder auf zum Offenstall.....

....und fand Jessy friedlich eingeschlafen im Stall.

Jessy war ein Unikum, ein Tier, dass sehr deutlich machen konnte, was es wollte. Sie hat uns all die Liebe, die wir ihr entgegen gebracht haben, doppelt und dreifach zurückgegeben.

Ich habe noch heute ihr unvergleichliches Muhen im Ohr, dass manchmal durch die gurgelnden Laute eher dem Gebrüll eines Löwen ähnelte.

Jessy hatte eine äußerst feine Spürnase, die manch einen Hund vor Neid hätte erblassen lassen. Vor ihr war nichts Essbares sicher und ein großes Kuhmaul konnte durchaus mit etwas Brachialgewalt in eine kleine Jackentasche gepresst werden, wenn dort etwas vermeintlich Leckeres zu finden war.

Interessanterweise hat Jessy nicht nur den ihr typischen Haarwirbel auf der Stirn an jeden Nachkommen vererbt, sie hat dies auch mit ihrer ewigen Fresslust geschafft :-)

Als sie am 09. März 2010 starb, ging nicht nur die Herdenchefin unserer Galloways über die Regenbogenbrücke, nein, auch eine liebgewonnene Freundin.